Webmaster: www.Richard-Erben.de

Für die Bereitstellung der mehr als nur interessanten Berichte seines Vaters Hans Tröbst, Kadett der Kriegsschule zu Engers,

danke ich Herrn Tröbst aus Hamburg. Dieses Zeitzeugnis ermöglicht einen Einblick in unsere Engerser Geschichte.

Die Kriegsschulzeit in Engers - Oktober 1910 bis Juli 1911

 

Im Oktober 1910 kommt Hans Tröbst im Rahmen seiner militärischen Ausbildung für fast neun Monate auf die Kriegsschule nach Engers. Engers ist seit 1970 ein Stadtteil von Neuwied, am rechten Ufer des Mittelrheins und am Fuß des Westerwalds gelegen. Eine Sehenswürdigkeit ist das Mitte des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Trierer Erzbischofs Johann Philipp von Waldendorff erbaute Jagd- und Sommerschloss. 1863 wurde darin eine preußische Kriegsschule eingerichtet, die bis zum ersten Weltkrieg bestand. Danach diente das Gebäude bis 1917 als Reservelazarett. 1995 wurde es vom Land Rheinland-Pfalz übernommen und beheimatet seitdem die Landesstiftung Villa Musica. Im berühmten Spiegelsaal im 1. Stock, in dem früher die Offiziersprüfungen abgehalten wurden, finden regelmäßig Musikaufführungen statt].

 

Etwas über das Cliquenwesen

 

Was eine Clique ist, erfuhr ich zum ersten Mal auf Kriegsschule, und später reichlich in der Armee. Das Wort "Clique" brauche ich erst gar nicht zu erklären, das wird jeder wissen oder aus dem Folgenden begreifen. Engers war bekanntlich die bevorzugteste Kriegsschule im ganzen Reich, sie hieß in der Armee "Die Garde-Kriegsschule" und war für den Fähnrich das, was dem Studenten Bonn und die Bonner Borussen sind (ganz interessant, dass der Roman "Silvester von Geyer " auch in Engers spielt, ein Teil wenigstens.)

Der Prozentsatz der dorthin kommandierten Gardisten war außerordentlich hoch, und ich glaube mich aus meinen späteren Erfahrungen heraus nicht zu irren, wenn ich sage: "Da wurde mancher Gardist hin-geschoben, der besser in Anklam, Neisse oder Glogau aufgehoben gewesen wäre." Das heißt, auf Kriegsschule, wo das Wort "Amüsement" nicht im Lehrplan vorgesehen war. Die Garde amüsierte sich schon genug in Berlin und Potsdam, da hätte man Engers ruhig für die armen Fähnriche aus den äußersten Grenz-Garnisonen freihalten sollen, um denen auch mal was Schönes zu bieten. Der Mensch ist bekanntlich nach dem Ausspruch irgendeines ollen Griechen ein gefälliges Wesen.

Daraus resultiert natürlich, dass Gleich und Gleich sich ganz besonders gern gesellt. Und da in Engers alle Waffengattungen vertreten waren, ist es ganz klar, dass die einzelnen Waffengattungen sich zusammenschlossen. Einen solchen Zusammenschluss mit seinen obligaten üblen Begleiterscheinungen nannte man dann eine Clique, und darüber möchte ich hier mal ein bisschen plaudern.

Wenn man am ersten Tag auf Kriegsschule ein passiert, ist man natürlich fremd und man schließt sich sofort an die Leute an, die denselben Kragen tragen - den ersten Sonntag bummelt man zusammen, na, und dann gründet man ein Stammlokal und die Clique ist fertig. Die Engerser Haupt- und tonangebende -Clique war die Feld-Artillerie, der sich die gesamte Kavallerie anschloss.

Es waren durch die Bank die schwerreichen Jungen der rheinischen Industrie, sehr wenig nette Leute im persönlichen Verkehr, oft geradezu widerlich aufgeblasene Protzen, denen man ansah, dass der Reichtum oft sehr jung war. Und manchmal kamen unter dem Firnis der Kasino- und Kommiss-Erziehung doch recht sonderbare Manieren zu Tage.

Diese Clique also "schnitt", und wurde von jedem, der nicht dazu gehörte (und das waren von den 120 Fähnrichen etwa 80) ebenso geschnitten, nach allen Regeln der Kunst. Sie hatten ihr besonderes Lokal und in diesem wieder ihr besonderes Zimmer, das so genannte "Pfropfen Zimmer" in der "Römerbrücke", einem kleinen Lokal, das an der Haltestelle der Elektrischen lag, gleich wenn man aus der Kriegsschule heraus kam. Das Zimmer führt seinen Namen nach Tausenden von Sektpropfen, die hier an den Wänden und Decken hingen. Wie eine Korkbude sah das Ganze aus. Alles war aus Korken, deren Pullen Generationen von „Fennrichen“ die Hälse gebrochen hatten. Ich traf später mal vor Dünaburg einen alten Major, Graf von der Schulenburg, der also vor einem Menschenalter ebenfalls in Engers gewesen war, und der als Kavallerist natürlich seine Tage im Propfenzimmer zugebracht hatte.

Hier wurde also immer geradezu unheimlich Abend für Abend gesoffen. Von der Schulenburg erzählte mir folgende reizende Geschichte: Im Hof wäre immer eine Gans herumgewatschelt, die so dressiert gewesen sei, die so schlau gewesen sei - anscheinend durch lange Übung - dass sie sich immer von neun Uhr abends unter dem kleinen, nach dem Hof hinausgehenden Balkon aufgehalten habe, zu welcher Zeit die ersten betrunkenen Fähnriche den Inhalt der Erdbeer- und Pfirsichbowlen heraus und herunter zu keuchen begonnen hätten. Dann sei immer die schlaue Gans eilig angewatschelt gekommen und habe alles aufgeleckt. Weihnachten sei das Tier geschlachtet und von den Herren des Propfenzimmers verspeist worden, und tatsächlich - so schloss der "Herr Jraf "seine Erzählung - habe das Fleisch ein kräftiges Pfirsicharoma gehabt. „Guten Appetit, meine Herren!!“

Dieser Artilleristen- und Kavalleristen -Clique gehörten auch ein paar Fußgardisten an, die von der ganzen Kriegsschule höhnisch "Pferdehalter" tituliert wurden. Man hätte nun mein Sollen, die Garde hätte auch eine besondere Clique formiert, das war aber nicht so. Es war damit ganz eigentümlich. Die Leute bildeten eine Clique, aber eine unsichtbare. Es war wohl weniger eine Clique, als das, was man „Distanz halten“ nennt. Es waren alles durch die Bank sehr nette, sehr liebenswürdige Leute, korrekt bis dorthinaus - im persönlichen Verkehr - aber es war eben eine unsichtbare Wand, die zwei Welten schied.

Der Adel in den Linienregimentern war im Vergleich dazu einfach verlottert. Das ist natürlich cum grano salis zu verstehen. Man fand unter ihnen die berühmtesten Namen, aber deren Träger gaben sich absolut natürlich, ohne jenes undefinierbare Etwas ihrer Kollegen von der Garde. Mit besonderer Freude denke ich da an den Fähnrich von Drabich-Wächter aus meinem Hörsaal zurück. Ein famoser Mensch.

Eine Gruppe für sich waren dann wieder die zahlreichen Sachsen. Ohne Partikularismus geht es bei uns guten Deutschen nun mal nicht, Sie wurden so als "nicht ganz voll" angesehen. Gott, man sagte halt: „ 's sind eben Sachsen!" Es waren furchtbar nette Leute, aber allein der Dialekt erinnerte schon zu sehr an "Fliegende Blätter-Soldaten" aus der Zopfzeit. Und die Lehrer, namentlich die Leutnants und Oberleutnants taten alles, um die armen Sachsen lächerlich zu machen. So oft Oberleutnant Schellenberg einen Sachsen-Fähnrich sah begrüßte er ihn mit der stereotypen Anrede: „Guten Tag, Sachs! Sagen Sie mal, Fähnrich, was ich Sie eigentlich immer schon fragen wollte: Machen denn die Sachsen überhaupt mit, wenn's mal losgeht? Oder wie ist das - da drüben bei Ihnen?" Und dem armen Fähnrich blieb gar nichts anderes übrig als ehrlich zu versichern: "Jawohl, Herr Oberleutnant."

Unglücklicherweise war nun auch unter den Sachsen eine Type, die einfach unmöglich war. Fähnrich "Fochel", sprich Vogel, aus "Gemmnitz". Der Mann hatte nicht einmal das Militärmaß, war dafür sehr beleibt, und hatte ein vollständig von Pockennarben und Pusteln zerfressenes Gesicht. Der kugelrunde, gequollene Kopf steckte in einem engen, aber bis an die Ohren reichenden Kragen, dazu trug der Gute ein Monokel - also einfach eine Karikatur und Schellenberg hatte ganz Recht, als der ihm eines Tages coram publico sagte: "Aber Fennrich, Sie sehen mit ihrem Monokel ja aus wie eine Kuh, die sich eine Untertasse in den Arsch geklemmt hat." Außerdem sprach Vogel einen Dialekt, wie man ihn nur in der "Alhambra" oder in der "Walla-lah" zu hören bekommt, wenn „der gemütliche Sachse" auftritt. Einmal wurde Vogel vor die Front geholt um eine Fähnrichs-Abteilung zu exerzieren -- aber dann nie wieder. Kinder, also wir sind einfach geplatzt vor Lachen. Unglücklicherweise war Vogel auch noch Philosoph und stiller Säufer und wenn der dann im Kasino oft seine Weisheiten in sächsischer Sprache zum Besten ab - wir Zuhörer haben uns manchmal gewälzt vor Lachen.

Dann gab es auch eine besondere "Saufclique" - so wurde sie genannt. Das waren etwa 10 Fähnriche von allen Waffen: Garde, Linie, Artillerie, Kavallerie-, Infanterie usw. die nur und ganz ausschließlich soff. Sie hatten ein Zimmer bei "Schunkert" [später: “Kurtrierischer Hof“ in der Alten Kirchstraße] gegenüber der Kriegsschule und besoffen sich Abend für Abend, den Gott werden ließ, bis zur Unkenntlichkeit. Die Kerle taten nichts anderes wie Saufen. Aber in einer Form, die tatsächlich die Bewunderung aller Zuschauer erregen musste. Neun Monate lang, jeden Abend besoffen nach Hause kommen, das ist allerhand. Dass bringe ich selbst nicht mal fertig. Diese Leute gingen nie aus, machten sonntags keine Ausflüge, egal nur Saufen, und nur bei Schunkert, und nur auf Pump. Der Chef dieser Clique war Fähnrich Jetschin vom „Regiment 30“ aus Saarlouis, der bereits 1912 verabschiedet wurde und den ich 1917 als Oberleutnant a.D. auf Ösel traf. Dazu gehörte auch Fennrich "Vochel ", der schon 1913 starb, infolge Alkohol-Übergenusses, er hatte sich also buchstäblich "totgesoffen". Dazu gehörte ferner „Fennrich Jöthe“, sprich Goethe, auch ein Sachse, der auch schon vor dem Krieg verabschiedet wurde und den ich im "Bataillon Nordsee " der zweiten Marine Brigade, wiedertraf, als wir mit Herrn Kapp gegen Berlin zu Felde zogen. Dazu gehörte ferner der Fähnrich von Werder, den ich 1919 in der "Deutschen Legion" oben in Kurland im Bolschewikenkrieg wieder traf, genauso aufgequollen , wie wir ihn oft - er gehörte zu meiner Inspektion in Engers - die Treppen als leblose Leiche heraufgewürgt haben.

Also Herrschaften! Hütet Euch vor dem Alkohol! So würde ich sagen, wenn ich ein Moralist wäre. Aber ich bin es nicht. „Sehe jeder wie er's treibe, wo er bleibe, und wer steht, dass er nicht falle“ - das ist mein Grundsatz.

Na - und nun müssen sich zum Schluss auch ein paar Worte über "unsere" Clique sagen, das heißt über die Pioniere. Wir waren sieben Pionier-Fähnriche. Ich - denn der Esel ist immer vorneweg - vom 4., Rolfs und Döhlemann vom 9., Rothe vom 16. und den letzten habe ich vergessen - vielleicht waren wir auch nur sechs. Wir hielten natürlich zusammen, ich schloss mich besonders an William Rolffs an, aber eine eigentliche Clique bildeten wir nicht. Ab und zu soffen wir zusammen, aber meist ging jeder seiner Wege. Jeder hatte sein Mädel, na und die gehen ja vor. Versammelte man sich mal "mit Damen", dann gab es unter denen egal Krach. Ergo versuchte jeder für sich glücklich zu werden, und mir, - mir ist das glänzend gelungen. Darunter litt natürlich die Kameradschaft - wie immer, wenn diese langbezopften Bestien mit im Spiel sind - und so - ich bin darüber nicht traurig, kann bei uns Pionieren von einer eigentlichen Clique keine Rede sein. Wir vertrugen uns mit allen und jedem und das ist ja schließlich die Hauptsache.

Dabei muss ich natürlich als getreuer Chronist, der sich Mühe gibt, über den Ereignissen zu stehen, noch etwas erwähnen, und zwar ein paar Worte über die "Wertschätzung." Jede Waffe  - das ist nicht ganz richtig - einige Waffen - bilden sich ein, die "Feinste" zu sein und leiteten daraus das Recht ab, auf die anderen mitleidig herab zu blicken. Ich persönlich räume der Garde und allen alten Regimentern das Recht dazu ohne weiteres ein. Wenn ich die Ehre gehabt hätte, dem „Ersten Garderegiment zu Fuß“ anzugehören, das - mit einem Wort - die Geschichte der Armee verkörpert, dann hätte ich auf das andere Geschmeiß auch herabgesehen. Man lese die Geschichte dieses Regiments, man lese, was Friedrich der Große über das Regiment sagt - dann haben alle die Leute, die so einem Regiment angehören, das Recht, stolz zu sein. Das Gleiche gilt - im Rahmen von Engers - für das "Leibkürassier Regiment Großer Kurfürst ". Aber der Waffenstolz dieser Leute (von Alvensleben, von Eikstädt, Graf Saurma, von Wiedebach und Nostiz-Dänkendorf) hatte nichts Verletzendes an sich. Wir sind wir! Und als Vertreter (nicht als Mensch) ihrer Regimenter erhalten sie das Recht und die Pflicht, so zu sprechen. Das allerdings nur, wenn sie selbst "vorbildlich" lebten. Und ohne mir etwas zu vergeben, gebe ich zu, dass die meisten das taten.

Ausnahmen gab es natürlich auch. (Alvensleben). Aber im Allgemeinen lebte die Garde korrekt, und behandelte - (das Wort klingt komisch, als ob man sich eo ipso von selbst unterordnete) die anderen Waffen ohne Ausnahme als gleichwertig (wobei sie sich ihr Teil natürlich dachte , aber das zeigte sie nicht).

Die gesamte Linie räumte der Garde eo ipso einen Vorzugsplatz ein, und das mit Recht. Mein Bataillon 4 in Magdeburg hatte 1813 mitgefochten, die Garde war schon bei Fehrbellin dabei gewesen - Tatsachen, die sich nicht wegleugnen lassen, und die einen Waffenstolz gerechtfertigter erscheinen lassen. Ich betone noch einmal ausdrücklich: ich persönlich liebte die Vertreter der Garde in Engers nicht, aber ich liebte und bewunderte die Garde an sich. Obwohl ich nicht so verblendet bin, um zu wissen: Den kriegerischen alten Ruhm, den ich an der Garde liebe, hat die alte Linie auch besessen, nur, diese Linie wurde 1806 aufgelöst, und musste von neuem mit dem "Ruhm -Sammeln" beginnen, während die Garde den alten Lorbeeren neue hinzu pflückte. Dass die Vertreter der Garde in Engers also Waffenstolz und nicht adelsstolz waren, gebe ich den Leuten zu und finde das völlig berechtigt

Die Schwierigkeit für den " Beobachter " ist aber nun die: 1.) Waffenstolz (berechtigt) vom Adelsstolz (unberechtigt) zu unterscheiden und 2.) festzustellen: Worauf gründet sich deren "Stolz" oder die "Eingebildetheit" der Vertreter der Linie? Die "eingebildetsten“ und am "widerlichsten" stolzen Leute waren die Fähnriche der Kavallerie in Engers. Aber wieder mit Ausnahmen. Die Fähnriche der Grenz- Regimenter waren tadellose Kerle. Sie stammten aus guten, aber verarmten - meist - Offiziersfamilien, wo der alte Herr alles vergeudet oder versoffen hatte, wo aber, um den Kredit zu heben, der Sohn selbstverständlich Kavallerist werden musste. Die Eltern lagen krumm - bloß um zu sagen: "Unser Sohn ist Kavallerist". Damit kann man Zivilisten blenden, aber nicht Leute vom Fach.

Diese Grenz-Kavalleristen waren glänzende Leute. In jeder Beziehung. Darüber könnte man Bände schreiben - genau wie über die Linien-Kavalleristen im Reich. Das ist eines der traurigsten Kapitel. Letztere waren alles Söhne reich gewordener Leute, die, um sich auch in der "allerhöchsten Gesellschaft " möglich zu machen, nachdem sie sich den Titel "Kommerzialrath " gekauft hatten, einen ihrer Söhne Kavallerist werden ließen. Ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, alle Kavallerie-Fähnriche in Engers waren Parvenues der schlimmsten Sorte. Sie konnten schließlich nichts dafür, das war eben die Frucht der Erziehung. Sie waren trotz ihrer sportlichen Leistungen verweichlichte Schlappiers, die durch den "Ton", den sie am Leibe hatten, der Armee ungeheuer geschadet haben.

Ich schildere im Folgenden einen Vorfall in Engers, den der Laie als Zivilist überhaupt nicht verstehen wird, über den aber der richtige Soldat, also - ich rechne mich dazu - und alle Gleichgesinnten, die in der Armee in der Furcht des Herren groß geworden sind, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen werden. Also: Die Ausgabe der Pakete leitete in Engers ein alter, kranker, das heißt schonungsbedürftiger Vize- Feldwebel von einem Infanterieregiment. Als Vize-Feldwebel war er Träger des langen Offizier Degens und damit " Vorgesetzter!!! aller Fähnriche.

Eines Tages stehen etwa 30 Fähnriche am Schalter, mit ihren Zetteln in der Hand, um sich die von Hause kommenden Pakete aushändigen zu lassen. Kolossales Gedränge natürlich. Auf einmal drängt sich der Fähnrich Otto (Sohn der Sektfirma Kloos und Förster, Freiburg, Sektmarke "Rotkäppchen") durch die Menge und schreit den Vize Feldwebel an:

 

" Heh! Vize! Mein Paket! "

Der Vize-Feldwebel war zum Glück ein vernünftiger Mann und lässt Otto also kalt abfallen. Nicht nur das, er meldet ihn auch zur Bestrafung. Und daran tat er Recht. Otto erhielt leider Gottes nur ein paar Tage Ausgeh-Verbot, er hätte mindestens eingesperrt werden müssen. Das klingt etwas grausam, wenn ich das sage, denn Otto, der in meiner Inspektion war, fiel 1915 unmittelbar neben mir, damals als wir Skidee angriffen (an der Bahn). Er war dann also zum Regiment 151 kommandiert, mit dem mein Regiment 147 zusammen angriff. Er war Kompanieführer gewesen, seine Leute hatten sich wie üblich sofort zum Plündern in dem Städtchen verstreut, der Gegenangriff der Russen kam, alles riss aus, Otto bekam einen Schuss in den Rücken und wurde am Wegekreuz begraben, obwohl sein Bursche alles versucht hatte, den tödlich Getroffenen nach rückwärts schleppen.

Ich will nicht falsch verstanden werden. Alle Fähnrich haben, als es Ernst wurde, ihre Pflicht getan, und sind ihren Leuten vorgestorben, aber das " Vorsterben " nützt nichts, wenn man es nicht verstanden hat, den Leuten den dazu gehörigen Geist einzuimpfen. Denn nur dann "sterben sie mit". Und der Geist des Materialismus , der immer mehr im Frieden in die Armee eindrang, und der sich, von der genannten Kavallerie ausgehend , immer weiter verbreitete und immer mehr solide Regimenter ergriff, nahm eben seinen Ausgangspunkt schon auf Kriegsschule, wo diese Kavalleristen tonangebend waren und die anderen Leute ansteckten.

Dieser „Fall Otto“ mit dem Vize-Feldwebel hätte mal bei einem Infanterie Regiment passieren müssen. Man sieht aber daraus, dass die Disziplin, also das sich Unterordnen unter einen Mann, der an Bildung vielleicht unter einem steht, bei der Kavallerie dieser Zeit schon nicht mehr die beste war. Ein großer Teil dieser Herren spielte Offizier, und wenn es ihnen nicht mehr passte, nahmen sie den Abschied. Bei den Fußtruppen wäre der „Fall Otto“ einfach nicht möglich gewesen, da die Junker dort derart erzogen wurden, auch die beschränktesten Unteroffiziere bedingungslos als ihren Vorgesetzten anzuerkennen. Nur dadurch sind sie in später in der Lage, das Gleiche von ihren ehemaligen Vorgesetzten und jetzigen Untergebene zu fordern, die sich ihnen dann ebenfalls kritiklos unterordnen. Am Idealsten wäre es sicher gewesen, wenn auf Kriegsschule überhaupt keine Cliquen bestanden hätten, und jeder eben nur der Fähnrich oder der "Kamerad" gewesen wäre. Aber das ließ sich ja eben leider nicht durchführen, da die Inspektions-Offiziere das Cliquen-Wesen ebenfalls förderten. Der rasend elegante Leutnant Göhle hatte als Ulan ständig eine gleich gesinnte Gesellschaft von Fähnrichen um sich, mit denen er auf den Wein- und Bier-Dörfern der Umgebung zechte. Das Cliquen-Wesen hätte sich vielleicht nicht so ausgewachsen, wenn auf Kriegsschule etwas mehr Wert auf Charakterbildung und Erziehung gelegt worden wäre - aber das war 1910 bereits ein veralteter Standpunkt. Dazu hätten die Lehrer, also die Offiziere, in erster Linie andere Leute sein müssen. Wir hatten unter den Inspektions-Offizieren auch nicht einen Erzieher. Unter den wissenschaftlichen Lehrern gab es nur einen, und das war der Taktik-Pauker, Hauptmann Hayner. Der war in jeder Beziehung einwandfrei.

 Einen kleinen Eindruck vom Tagesablauf in Engers vermitteln vielleicht die beiden nachfolgenden Briefe von Hans Tröbst an „Tante Mi“, eine Nachbarin aus Weimar, die ihn als kleinen Jungen immer sehr verwöhnt hatte.

(Kriegsschule) Engers am Rhein,

30. 10. 10

 

Liebe Tante Mi !

Als Mensch und guter Christ habe ich mich heute Abend, wo ich bis 11 Uhr Urlaub habe, hingesetzt, um all die verschiedenen Briefe und Karten zu beantworten, die mir so im Lauf des denkwürdigen 27. Oktobers [Geburtstag von H.T.] zugegangen sind. Zunächst also meinen herzlichsten Dank für das schöne Paket, an dem Ihr gewiss alle mit größter Sorgfalt gearbeitet haben werdet. Es hat mir aber auch sehr gut getan. (Wohlgemerkt: „hat“, denn nur noch einige kümmerliche Reste zeugen von verschwundener Pracht.)

Die Kriegsschule ist hier die reinste Hungeranstalt. Morgens wacht man regelmäßig mit knurrendem Magen auf, eilt in den Speisesaal und trinkt Kaffee. (In Worten: 1 Tasse Kaffee und zwei winzige Semmeln, mit einem noch kleineren Klacks Butter auf jedem Teller.)

Um 11 Uhr ist Frühstück. = warmes Mittagessen.

Schon 5 Minuten vor Schluss des Unterrichts packt jeder seine Bücher weg, um nachher als erster am Tisch zu sein. Läutet es, dann stürmt der ganze Hörsaal, kopfüber, sich drängelnd, überschlagend, die breite Schlosstreppe hinunter, um möglichst als erste an die Schüsseln zu kommen. Glücklich der, dem es gelungen eine zu erwischen. Er packt sich seinen Teller voll, und ist für eine halbe Stunde befriedigt. Von den übrigen bekommen regelmäßig 3 oder 4 nichts oder fast nichts. Mit Wut-Tränen im Auge sitzen die Unglücklichen da, fluchen auf den Wirtschafter, die Ordonnanzen und müssen zusehen, wie Stück für Stück des ungenießbaren Fleisches verschwindet. Der gerissene Wirtschafter baut sich dann am Ausgang des Saales auf, wo er winzige Semmeln a 15 Gramm verkauft. Natürlich glänzende Geschäfte. Abends wiederholt sich das Spiel genauso. 

Im Übrigen ist es hier aber ganz nett. Mein Zimmer führt direkt auf den Rhein hinaus, überall hier eine herrliche Aussicht, schöne Ausflüge in die Umgebung, nur verdammt kalt ist es auf dieser windigen Turmstube, man friert so, dass man morgens sich überhaupt nicht aus dem Bett raus traut. Auch in die dauernde Beaufsichtigung kann man sich noch gar nicht so sehr rein finden. Sogar nachts werden Spione und Schlösser revidiert, wer nur das Geringste offen lässt, bekommt Strafrapporte, Ausgehverbote etc. Behandelt wird man hier beinahe schlimmer wie die Rekruten. „Dummer Junge, Frecher Lümmel, eingebildeter Bengel“, das sind noch so die reinsten Schmeicheleien. Na, Reserve hat noch 31 Wochen, dann ist das auch vorbei. -

Vielleicht komme ich mal Weihnachten nach (Weimar)

Bis dahin viele Grüße an Euch alle von Eurem

 

Hans Tröbst

 

(Kriegsschule) Engers

 

18. 3. 1911

 

Liebe Tante Mi!

Eben habe ich Deine Karte bekommen. Leicht angebläut setze ich mich sofort hin, sie zu beantworten. Ich habe weiß Gott oft die Absicht gehabt, zu schreiben, aber die unendlichen Zerstreuungen hier haben mir keine Zeit dazu gelassen.

Den heutigen Brief will ich gleich mit einer erfreulichen Nachricht verbinden. Soeben haben wir die Zwischenprüfung hinter uns. Auf Grund "hervorragenden Fleißes und guter Leistungen"   bin ich von der Abendarbeitsstunde befreit. Mein Dienst ist jetzt schon um 4:35 Uhr zu Ende. Im Gegensatz zu 7:30 Uhr, wie es früher der Fall war. Ich bin sehr froh. 

Dieses Fest ist natürlich ganz gehörig begossen worden. Einzelheiten etc. später mal mündlich. Ich habe nämlich vor, Ostern die Stätte meiner früheren Wirksamkeit [d.h.Weimar] mal wieder mit meinem Besuch zu beehren. Sei es auch nur für 2 - 3 Tage.

Fortsetzung mit Bleistift, da der Federhalter soeben den Weg alles Fleisches gegangen ist. Ich käme sehr gern, werde mir die Sache mal überlegen.

Der Rhein ist jetzt wundervoll. Ich mache jetzt beinahe jeden Tag Ausflüge zu Fuß oder zu Rad, Es ist ein wundervolles Dasein. Momentan stehen wir jetzt gerade im praktischen Kursus drin. Wir sind da vier Wochen lang im Gelände abwechselnd beritten und zu Rad. Bei diesen taktischen Übungen, die 7 - 8 Stunden dauern, wird ein wahnsinniger Mist verzapft, unheimlich viel gegessen und getrunken, nebenbei auch mal - was man so nennt - gearbeitet.

Ich werde Euch mal ein sehr nettes Bild   von mir schicken, das mich "bei der Arbeit" darstellt. Es betitelt sich "Die höhere Truppenführung" oder "Der kommende Mann". Es wird Euch sehr gefallen

Wir haben hier auf der Stube einen Fähnrich, der leidenschaftlich photographiert, er hat schon sehr nette Aufnahmen gemacht, die ich alle mal mitbringen werde,

Wie geht es denn sonst ins Weimar? Das Nest wird sich wohl kaum verändert haben. Ich freue mich aber doch, die alten Kameraden und Bekannten wieder zu sehen.

Doch zum Schluss. Nehmt es mir nicht übel, wenn ich so lange geschwiegen habe, es war nicht böse gemeint. Meine Schreibfaulheit war alleine Schuld. Im Grunde bin ich der Alte geblieben. Hoffentlich.

 

Herzlichst

 

Dein H. Tröbst

 

Fähnrich im P.B.4

Grüße bitte alle von mir!

 

 

 

 

Der Fall Dietz

Er spielte sich ab, als ich auf Kriegsschule war, aber mein Freund Wohlgemut hat ihn mir brühwarm erzählt, als ich nach Magdeburg zurückkam. Und da die Strafe Gottes hier mal den Richtigen getroffen hat, und das Schicksal einen Soldatenschinder vom reinsten Wasser ereilt hat, will ich doch nicht versäumen die originelle Geschichte hier zu verzeichnen, zumal ich Dietz ja auch persönlich kannte. 

Also Dietz war nach Berlin auf die M.T.A. - die Militär-Technische Akademie - kommandiert worden und lernte in Berlin eine junge Dame kennen, mit der er sich verlobte. Na, das ist nun nicht weiter schlimm, das kommt in den besten Familien vor und kann schließlich jedem Mal passieren. Dietz hielt die Verlobung zunächst geheim und nahm seine Braut auf seinem ersten Urlaub mit nach Hause und stellte sie seiner Mutter vor. Diese war sehr alt und anscheinend sehr gutmütig mit wenig Scharfblick. Desto schärfer aber sahen die Augen seiner Schwester. Der kam die Braut so seltsam und bedenklich vor, dass sie ihre Sorge einem Herrn des Bataillons schrieb. Da hörte man zum ersten Mal etwas über Dietzens Verlobung, aber niemand wollte sich natürlich in so persönliche Herzensaffären einmischen. Keiner kannte ja auch das Mädel.

Eines schönen Tages stand aber in den Berliner Zeitungen Folgendes zu lesen: "Vor dem Schöffengericht Berlin X erschien gestern die Prostituierte X, die Braut des Pionierleutnants D. aus Magdeburg, um sich wegen Diebstahls zu verantworten!" Und so weiter . Diese Notiz schlug natürlich im Offizier Corps und in der Stadt wie eine Bombe ein. Dietz wurde sofort aus Berlin heranzitiert und das ehrengerichtliche Verfahren gegen ihn eröffnet. Der Mann war völlig gebrochen und aus dem Verfahren ging mit aller Bestimmtheit hervor, dass Dietz tatsächlich von der Berufstätigkeit seiner Braut keine Ahnung gehabt hatte.

Dietz war bekanntlich sehr reich und das Mädchen war eine der Grandkokotten, mit denen ja Berlin zum Glück so gesegnet ist. Sie hatte den harmlosen, dummen Kerl mit Leichtigkeit gefangen, ihm weiß Gott was erzählt, Dietz hatte alles geglaubt und nun saß er also - eigentlich ohne jede Schuld - in der Tinte. Die junge Dame hatte man, glaube ich, bei einem Portefeuille-Diebstahl in irgendeiner Luxus-Bar gefasst. Jetzt sollte also der Fall abgeurteilt werden. Die Meinungen im Offizier Corps waren sehr geteilt. Die Mehrzahl wollte es dabei bewenden lassen, dass Dietz "schuldig sei der Verletzung der Standesehre und der Erteilung einer Warnung". Das heißt, alles hätte sich in Wohlgefallen aufgelöst. Wenn nicht Rotthardt die Ansicht der Allgemeinheit in der unglaublichsten Weise vergewaltigt hätte. Er erklärte brutal: "Meine Herrn, wenn Sie den Dietz nicht zu schlichtem Abschied verurteilen, reiche ich meinen Abschied ein!“

Das hieß mit anderen Worten: einem Kommandeur, der ein derartig feines Ehrgefühl hatte, würde das Kabinett nie den Abschied geben, im Gegenteil. Ein aus diesem Grunde eingereichtes Abschiedsgesuch war nur eine eigene Empfehlung. Dagegen hätte der Abschied unweigerlich die getroffen, die durch ein mildes Urteil bewiesen hatten, dass ihr Ehrgefühl nicht "Eins A" war. 

Wohlgemut sagte mir damals selbst: "Ich war für Erteilung einer Warnung, ich war eben Offiziere geworden, sollte ich mich nun sofort der Gefahr aussetzen, herausgeschmissen zu werden in einer Angelegenheit, die mich gar nichts anging? Kameradschaft in Ehren, aber alles hat eine Grenze und so habe ich für Rotthards Vorschlag gestimmt. Ich musste als Jüngster beim Abstimmen anfangen, Sie können sich denken, wie mir das schwer geworden ist! "

Als Wohlgemut umgefallen war, fiel einer nach dem anderen um und das Urteil lautete also auf schlichten Abschied. So wurde das Urteil dem Kaiser zur Bestätigung vorgelegt. Aber wunderbarerweise wurde es nicht bestätigt, sondern es kam mit einer gepflasterten Belehrung für Rotthardt und das Offizier Corps den Dienstweg wieder herunter gepoltert. Seine Majestät hatten in ihrer unendlichen Gnade und Güte zu bestimmen geruht, dass Dietz nicht mit schlichtem, das heißt ehrlosen Abschied zu "entlassen" sei, sondern dass er "aufzufordern" sei, um seinen Abschied aus dem aktiven Dienst nachzukommen und dass er um Überführung in den Stand der Reserveoffiziere zu bitten habe! "

Bei aller Ehrfurcht vor der allerhöchsten Entschließung ist das doch zumindest eine sonderbare Logik. Auf der einen Seite las und hörte man es ständig predigen: "Offizier ist Offizier ", zwischen aktiven und Reserve-Herren gibt es keinen Unterschied in Bezug auf die Abgrenzung des Ehrgefühls und des Ehrbegriffs. Und nun auf einmal war Dietz nicht mehr würdig, aktiv zu sein, er wurde zu den Reservisten degradiert. Also bestand anscheinend doch ein Unterschied, den aber wahrscheinlich nur die klugen Herren im Kabinett erkennen konnten.

Das Ganze erinnert zu lebhaft an jenen Oberst, der beim Regimentsexerzieren sein Regiment anschrie: "Verdammte Bummelei, Sauerei. Ihr seid ja überhaupt alles Schweine, Euch kann auch nur ein Schwein kommandieren. Ich habe es satt! Bitte, Herr Major vom 1. Bataillon, übernehmen Sie das Kommando über das Regiment, ich reite für heute nach Hause! " Diese Degradierung vom Major zum Schwein erfolgte also mit derselben Berechtigung wie die von Dietz vom Aktiven zum Reserveoffizier. 

Dietz war an sich entschieden unschuldig an der ganzen Affäre. Wenn es einen anderen getroffen hätte, hätte ich den bedauert, so war das aber eine gewisse gerechte Strafe für die vielen Soldaten-Misshandlungen, die der Kerl sich hat zu Schulden kommen lassen.

 

Das Offiziersexamen - Im Spiegelsaal von Schloß Engers

 

 

Es fand im Juli 1911 im Spiegelsaal der Kriegsschule, dem Prachtraum des alten erzbischöflichen Schlosses, statt. Ein origineller Raum.  Für ein Examen wenigstens: Oben an der Decke und an den Wänden keine Mauern, nur Spiegel. Daher der Name. Keine gerahmten Wandspiegel, sondern die Wände waren Spiegel. Und das Parkett war spiegelglatt. Man spiegelte sich also. Und zwar in einer geradezu unangenehmen Form. Man konnte hinblicken, wo man wollte, überall sah "man" sich. Von hinten, von vorne, von der Seite, vom oben, von unten.  Einfach schauderhaft. Man sah nicht nur sich  - das hätte sich schon ertragen lassen  - nein, man sah alles, was man mochte. Und man war gezwungen, sehr böse Sachen zu machen. Wo sollte man nämlich alle die "Schwarten" und alle anderen unentbehrlichen Examensartikel verstecken? Und wie sie überhaupt handhaben. Wenn ich Lust hatte, konnte ich mich selbst in sechs verschiedenen Kunstposen mogeln sehen. An der Decke und an jeder Wand zweimal. Und genau so ging es dem Aufsichtsführenden Offizier. Der sah auch alles. Und das war eben gerade das gemeine an der Sache. Deswegen hatte unser Hörsaal "B" so entsetzt "Ach Herrgott!" gestöhnt, als es hieß "Die schriftliche Prüfung für Hörsaal ‚B’ findet im Spiegelsaal statt!"  

Wie auf jeder Zivilschule bildet auch das Examen auf Kriegsschule für die meisten Teilnehmer das Schrecklichste vom Schrecklichen  - obwohl es eigentlich kinderleicht ist, wie alles beim preußischen Kommiss, der grundsätzlich die Intelligenz seines am minderst begabten Zöglings als Norm festsetzt.  

Nun ist allerdings nicht zu leugnen, dass man bei dem herrschenden System auf Kriegsschule eine ganze Menge lernen muss. Denn die gesamten Fähnriche der Armee kommen auf eine Kriegsschule, die für alle Waffen eingerichtet ist. Das heißt, in jedem der vier Hörsäle sitzen Infanteristen,  Pioniere, Kavalleristen,  Artilleristen, Telegraphen und Eisenbahner, Funker und Train beisammen, und der Lehrplan ist so eingerichtet, dass jeder Fähnrich in die Geheimnisse der Taktik der anderen Waffen eingeweiht wird. Man muss sich dabei also schon ganz gehörig auf die Hosen setzen. Der Lehrplan ist leicht zu verstehen, aber eben ein blöder Gedächtnis- und Zahlenkram.  

Das Hauptfach ist Taktik. Das lässt sich nicht lernen, das ist Begabungssache. Natürlich gibt es da feststehende Grundlinien, aber innerhalb dieser kann jeder nach seiner Facon arbeiten. Da kann sich auch der schlaueste Taktiklehrer irren, der irgendeine Lösung als die "Patentlösung" bezeichnet  - im Ernstfall wird es immer anders. Die blödesten Hörsaal-Lösung kann im Ernstfall den Erfolg bringen und umgekehrt. Die Tannenbergschlacht wäre auf Kriegsschule sicher als eine gänzlich minderwertige Leistung bezeichnet worden  - der Erfolg gibt eben Recht.  

Nächst der Taktik galten als Hauptfächer: Waffenlehre, sehr übel. Behandelte die Zusammensetzung (Technik) aller Waffen, vom Revolver bis zum 21 cm Mörser, die ganzen Ziel- und Schiessübungen der Artillerie und Infanterie  - ein sehr übles Fach. Aber nach Abschluss des Kurses  - es wurde auch praktisch an den Geschützten exerziert - hätte jeder Fähnrich zur Not eine Batterie im Gefecht führen können.  Zur Not natürlich, aber er wusste doch, worauf es ankam, und hatte einen Begriff von dem, was die Artillerie leisten und was man ihr zumuten konnte 

Es folgte Befestigungslehre, sehr umfangreich und für den Laien in der anderen Waffen meist - namentlich, was den Festungskrieg anbetraf  - ein Buch mit sieben Siegeln.

Dann kamen 1000 andere Fächer - Heerwesen , Planzeichnen, Französisch oder Russisch, Kartieren,  Rundschrift, militärisches Schreibwesen, Turnen, Fechten, Truppendienst, Reiten, Schießen, Winken, Telefonieren etc.  

Nun hat ja wohl jeder Mensch auf der Schule ein Fach, von dem er sagt: "Mensch, das lerntste ja nie! Gar keinen Zweck, damit überhaupt ernsthaft anzufangen". So ging es mir auf dem Gymnasium mit Chemie, und da es ein Nebenfach war, habe ich treu und bieder jedes Jahr meine "5" – die schlechteste Note - nach Hause gebracht. Ich bin heute noch nicht dahinter gekommen, warum und wieso man zum Beispiel Wasser gleich H²SO4 nennt, oder so ähnlich. So ging es mir auf Kriegsschau mit dem "Heerwesen". Ein derartig verzwickter und blödsinniger Gedächtniskram -  es umfasst das ganze Militärstrafgesetzbuch, das Ersatzwesen  - ich glaube, nicht einmal ein 24 Jahre dienender Bezirksfeldwebel, die in ihrem Fach Lehrmeister sind, hätte das begriffen.  

Ich sagte mir also gleich nach den ersten Stunden: " Mensch, das hat ja gar keinen Zweck, lasst den Dreck liegen, dass lernste ja doch nie!" Gesagt getan. Ich mogelte mich in diesem Fach schlecht und recht durch den Kursus. Außerdem hatte ich im Hörsaal einen guten Fenster-Nischenplatz, wo ich meine Spickzettel ungehindert gebrauchen konnte. Ich machte treu und bieder meine zahllosen Strafarbeiten und tröstete mich damit, dass kein anderer Fähnrich in diesem widerwärtiger Fach etwas tat - außer ein paar ganz blöden Strebern, die nachher beim Schlussexamen meist reinzufallen pflegten,  während der Faule immer wieder wie durch ein Wunder gerettet wird. Das einzig amüsante Kapitel war "Wechselrecht", das auf allerhöchsten Befehl gelehrt wurde, und in dem uns die Kniffe der professionellen Halsabschneider gelehrt und wurde, damit man sich später "vorsehen" konnte. 

Doch nun erst mal ein paar Worte über das Zensurensystem. 9 war die höchste Nummer und bedeutete "vorzüglich“. Acht war gleich "sehr gut", 7 war "gut", sechs "ziemlich gut", 5 "genügend". Das waren die Plus-Ziffern, die auf der Schule der 1,2, und 3 entsprachen. Von 4 bis 0 reichten die Ziffern, die eine Minderwertigkeit ausdrückten. Na, und wenn einer in irgendeinem Fach 0 hatte, dann war er auf diesem Gebiet auch eine Null. Bei der Schlussexamens-Rechnung hatte der Fähnrich "bestanden", wenn einer meinetwegen "130 Punkte" hatte. Das heißt, die Zensuren der einzelnen Fächer wurden je nach ihrer Wichtigkeit  mit verschiedenen Zahlenwerten multipliziert. Taktik mit 5, Befestigungslehre mit 4, Waffenlehre mit vier usw.. Militärschreibwesen mit 1. Ein  Fähnrich hatte also bestanden, wenn er hatte 

Taktik = 7             7 x 5 = 35

Befestigungslehre = 6      6 x 4 = 24

Waffenlehre = 5                5 x 4 = 20

usw. usw.

Zusammen:               141  Punkte

Also 11 über das Minimum. Nun wurden die Punktergebnisse wieder in fünf Klassen oder Gruppen geteilt. Wer über 180 hatte, bestand mit "Allerhöchster Belobigung". 170 bis 180 war "sehr gut“, 160 bis 170 war "gut", 150 bis 160 "ziemlich gut " usw.  

Der Ehrgeiz des Fähnrichs ging also dahin, mindestens 130 Punkte zu bekommen. Denn mit 129 war man durchgefallen, obwohl es sich Seine Majestät, der Kaiser und König vorbehalten hatte, solchen Pechvögeln einen allerhöchsten Gnadenpunkt zu verleihen. Aber solche Fälle waren selten, da musste man schon mindestens ein Graf sein. Wie es einem solchen Herrn ein paar Jahre vor mir in Engers erging. Die Pauker erlaubten sich dabei den rohen Scherz, dem Herrn Grafen den Gnadenpunkt in Gestalt eines säuberlich auf weißer Tafel aufgeklebten Schokoladenplätzchens zu überreichen.  

Nun beginnt man ja schon auf der Zivilschule,  wenn der Versetzungstermin vor  der Tür steht, sich "auszutüfteln", ob man durch kommt oder nicht. Aus 1000 Einzelheiten rechnet man sich die Schlusszensuren zusammen und kommt dann endlich, nachdem man alles genau gegeneinander abgewogen hat, zu dem beruhigenden Schluss, dass man hoffentlich mit einer vier in Latein und Griechisch und einer 3 b in Mathematik gerade noch somit kommen kann, da man ja in Religion, Turnen und Singen eine 1 hat. So ist es auch auf Kriegsschule. Als angehender Taktiker hat man alle Eventualitäten in Rechnung gestellt und hat die Gewissheit, dass man das und das Fach ruhig  "etwas vernachlässigen" kann. Heerwesen wurde mit drei multipliziert. Allerdings, immerhin! Hatte man "neun" dann gab es 27 Punkte, eine Null blieb eine Null, die Differenz betrug 27 Punkte!! Immerhin, na, wenn man eine drei darin bekam, dann waren das neun Punkte. 27 und 9 , schließlich kein allzu großer Unterschied. Und eine 3, die würde man schon schaffen können.  

Nun kam das Examen endlich heran. Aber je näher es kam, desto unsicherer und unwahrscheinlicher erschien einem die "Tabelle", die man sich in sorgenvollen Stunden konstruiert hatte. Allerlei " Wenn`s " und "Abers" tauchten auf.  "Wenn"  man nun das große "Kroki" verzeichnete, das man mit 10 Punkten ins Budget gestellt hatte?! Oder „wenn“ man in der Taktikaufgabe einen falschen Entschluss fasste! War's da nicht besser, man paukte noch ein bisschen Heerwesen oder Truppendienst?? So als Reserve? Um die Punktezahl zu erhöhen? Auf jeden einzelnen kam es da doch an!  

Nach einer Weile bekommt man gewöhnlich so ein schlechtes Gewissen, das man sich mit einem Bombenanlauf an die Arbeit  macht - fünf Tage vor dem Examen! Nach einer Stunde wirft man alles wieder verzweifelt weg:  "Das lernste ja doch nie". Dann schmiert man wieder stundenlang "Spickzettel", auf einmal sind es so viele geworden, dass man wieder nicht weiß, wo man sie  unterbringen  soll  - noch dazu im Spiegelsaal. Oder sie sind so ausführlich geraten, dass man sich in den mikroskopischen Notizen überhaupt nicht zurecht findet. Verzweifelt stürzt man sich wieder auf den "Leitfaden". Doch vergeblich, nichts will mehr in den Kopf, und schließlich hat man sich mit seinem Schicksal völlig abgefunden. "Ist mir ja total schnuppe, ob ich durchfalle oder nicht!“  

So behauptet man wenigstens.

So gings mir also damals in Engers. Und wohl auch allen anderen.  

Gerade am Tag vor dem Examen lag ich nachmittags auf meinem Bett und dachte über den "Fall" nach.  Eingehend. Ich rechnete und rechnete. Erwog hin und her. Und plötzlich schoss es mir siedend heiß hoch: "Mensch! Wenn Du im Heerwesen reinfällst, dann bist Du geliefert." Verzweifelt sprang ich auf, holte mir den "Großen Rabenau", schlug ihn blindlings in der Mitte auf und begann zu lesen. Der "Rabenau" war ein dickes gelbes Buch, verfasst von einem gleichnamigen Major,  und war auf der Kriegsschule offiziell nicht eingeführt. Aber es war ein Kommentar zum offiziellen "Heerwesenleitfaden" und war für den Einjährigen und Reserveoffizier-Aspiranten-Unterricht bestimmt. Diese Schwarte erläuterte also an  Hand ganz ausführlicher, täglich sich im Soldatenleben ereignender Vorfälle die dunklen, meist unverständlichen  Paragraphen so deutlich, dass es eben jeder verstehen musste.

Auf der Seite, die ich da mir gerade zufällig aufschlug, stand unter anderem folgender X-ter Fall: "Der Einjährig-Freiwillige Z. tritt auf dem Marsch ohne Erlaubnis seines Kompaniechefs aus, um ein Bedürfnis zu verrichten. Wie bestraft der  Kompaniechef diesen Mann?"

Aha! Sagte ich mir, das Kapitel handelt anscheinend von der " Disziplinar-Strafordnung."

Und ich las. Also da stand Folgendes: Der Hauptmann lässt sich "das kleine Strafbuch" kommen. Er konferiert mit dem Feldwebel. Er überlegt dies und das. Und bestraft den Einjährig-Freiwilligen "Z"  schließlich mit drei Tagen Mittelarrest.  Begründung: folgen 100 Paragraphen. Warum nicht so sondern so. Jedes Für und Wider wurde erörtert und schließlich blieb es bei drei Tagen mittel. Als erschwerender Umstand kommt hinzu (wörtlich!!), dass der Einjährige den gebildeten Ständen angehört und sich der Tragweite seiner Handlung bewusst sein müsste.

Von einer Streichung von der Liste der Offiziersaspiranten wurde oder konnte abgesehen werden, da es sich nicht um eine ehrlose Tat handelte, die eine ehrlose Gesinnung bekundete. So schloss Hauptmann Forke dies Thema. 

Wer es nicht glaubt, dem stelle ich es frei, die Geschichte im Rabenau selber nachzulesen. Ich, ich werde Geschichte oder das Malheur als Einjährig-Freiwilligen "Z" nicht vergessen, bis ans Ende meiner Tage. Denn Einjährig-Freiwilliger "Z" stiftete mein Glück. Das wusste ich aber vor dem Examen noch nicht. Im Gegenteil, ich knallte die Schwarte wieder zu, sagte im Stillen: "Na, so ein Mist!" Jetzt ist mir alles wurscht. Ich zog mich an, und ging zu "Schunkert" in die Weinstube.  Und dort wurde mir besser.

Endlich war der große Tag da. Die schriftliche Prüfung wurde mit "Taktik" eröffnet. Das heißt, man bekommt irgendeine Kriegslage. Also meinetwegen: eine Division marschiert unter den und den Verhältnissen von A nach C. Bei B.  erhält der Führer- um X Uhr Y über den "bösen Feind“ folgende Meldung......"  

Verlangt wird:

1.) Beurteilung der Lage

2.) Entschluss

3.) Begründung  

Zeitdauer:  30 Minuten . Karte Metz 1:25.000

So was sieht also auf den ersten Blick ganz einfach aus. Aber je mehr man sich in so eine Sache vertieft, desto schwieriger wird die Geschichte. Jeder vernünftige Entschluss lässt sich vernünftig begründen. Aber ich kann auch wie ein gerissener Verteidiger vor Gericht den größten Wahnsinn "begründen" und seine Zweckmäßigkeit klipp und klar beweisen. Und nun gibt es unzählige Lösungen, die sich oft krass gegenüberstehen, aber jede hat "etwas" für sich (wie es immer so schön heißt) und der Pauker hat sich natürlich eine Patentlösung ausgedacht, und er beurteilt natürlich die Arbeit als am besten, deren Auffassung der eigenen möglichst ähnlich ist. Also lernen lässt sich Taktik nicht, und es ist immer mehr oder minder Glückssache ob man am grünen Tisch immer die richtige Lösung findet. Der Ernstfall entscheidet.  

Wir bekamen damals als Aufgabe das Verhalten einer weit vorgeschobenen Aufklärungseskadron, Karte Ostpreussen 1:100 000. Kaisermanöver 1910. Ich machte mich also bieder an die Arbeit und merkte auf einmal so zwei Bänke  - Pardon, der Herr Fähnrich sitzt an "Tischchen"  - also zwei Tischreihen vor mir - lebhafte Bewegung. Mittelpunkt davon ist Fähnrich Hannemann vom Lyker Dragoner Rgt. No. 11. Die Aufsicht führenden Pauker waren großzügig. Das gebe ich zu, sie lasen Zeitung und sagten bloß ab und zu mal: "Aber meine Herrn! Alles mit Maß! "  

Also, ich achtete nicht weiter rauf Hannemann,  obwohl die Bewegung sich bis zum Schluss immer mehr steigerte, und schließlich kam’s raus! Der Hannemann ist damals dabei gewesen! Sensation! Jeder schlug sich am Schluss vor die Stirn und konstatierte: ich Riesenrindvieh! Warum habe ich mich nicht neben den Hannemann gesetzt! Der! war jetzt der große Mann! Als die Arbeiten abgegeben waren, war der lange Dragoner wie ein dozierender Professor  umgeben gewesen.  

" Jawohl! " Erklärte er, "so und nicht anderes ist die Lösung. Ich war damals als junger Junker in der Schwadron, mein Rittmeister hat die Sache damals so und so gemacht! " "Jawohl! Jawohl! So ist es richtig" schrien alle die Glücklichen, die rechts,  links und hinter dem Mann gesessen hatten! Die Bande triumphierte! Eine  9 in Taktik! Mindestens eine 8 . Macht achtmal fünf gleichen 40 Punkten! Da kann man sich in zwei Fächern mindestens einen Reinfall leisten! Aus Spaß! 130 Punkte sind sicher!  

Aber Gott hatte es anderes gewollt!  

Es gab zunächst mal von "oben" her einen Riesenkrach. Und zwar aus folgendem Grunde. Das Kaisermanöver 1910 hatte tatsächlich oben stattgefunden in Ostpreußen. Und Herr Hannemann war tatsächlich in jener Schwadron als Junker gewesen, die damals an einem kleinen Flüsschen, "der Weske", operierte. Wenn man als Junker in der Kompanie oder Schwadron laufen oder reiten muss, kümmert man sich den Dreck um die hohe Taktik. Man ist froh, wenn man seine Gruppe zusammen hat und im Übrigen wartet man ständig auf "das Ganze Halt " und denkt an die schönen Mädchen in den Quartieren. Hannemann war aber insofern eine Ausnahme, als er sich noch genau  erinnerte - es waren seitdem neun Monate verstrichen  - was sein Rittmeister damals gemacht hat. Na, und Rittmeister und Hauptleute, besonders wenn es der eigene ist, machen ja in solchen Fällen ausnahmsweise nie Unfug. Ergo hatte Hannemann auch hier auf dem Papier seine Aufgabe so gelöst, wie er es vor neun Monaten bei seinem Chef gesehen hatte.  

Als Menschenfreund teilt Hannemann natürlich die Geschichte seinen Nachbarn mit, so dass also alle Arbeiten, soweit "Hannemanns Strahlen" reichten, von diesem Geist und dessen Geist stark durchsäuert waren.  Ein hübsches Wort. Stammt von mir.  

Nun will es das Pech - diese unerwartete Aufklärung verdankten wir anschließend unserem empörten Taktiklehrer, Hauptmann Heyner   - also nun will es das Pech: jener Rittmeister hatte damals mit seiner Schwadron einen derartigen Unfug gemacht, dass seine Tat als Schulbeispiel, "wie man es nicht machen durfte" in die Fachliteratur und in die Manöverberichte Eingang fand. Ergo war auch Heyner im Bilde. Er liest Hannemanns "Lösung", ihm fällt ein, der ist 11. Dragonern, die 3./ 11. hatte damals denselben Unfug gemacht. Sollte etwa  - aber natürlich! Ganz klar! Und Heyner legt den Fall ad acta. Bis ihm auf einmal noch so ein paar "Patentlösungen" unter die Finger geraten, die sich ähnlich sehen wie ein Ei dem anderen. Denn das ist auch ein wesentliches Merkmal des Fähnrichs zum Unterschied vom Gymnasiasten: Wenn ich als Zivil-Schüler von meinem Nachbarn abschreibe, dann tue ich das nicht wörtlich, sondern verändere dabei ein bisschen die Stellung. Steht "urbs", die Stadt, sage ich "oppidum" usw. usw. und wenn ich weiß, mein Nachbar ist eine unbestrittene Größe in seinem Fach, dann mache ich noch ein paar Fehler, aber kleine, mit Absicht in mein Manuskript, denn eine "glatte Eins" hätte mir doch nie im Leben einer meiner Pauker geglaubt. Mit anderen Worten, man tut alles, um eine Entdeckung zu verhindern, man tut alles, um ein "anständiger Schüler " zu bleiben. 

Ganz anderes der Fähnrich. Wenn der abschreibt, dann tut er es wörtlich. Er kopiert mit einer solchen Genauigkeit, derer nur ein Mönch im Kloster fähig ist,  der irgendeine Bibel abmalt. Denn der Fähnrich sagt sich sehr richtig: Ich weiß, dass ich nichts weiß! Ergo muss ich abschreiben. Den Luxus, absichtlich noch ein paar Fehler vorzumachen, kann ich mir nicht leisten, denn ich mache beim Abschreiben allein schon genug. Den Text verändern, das hält bloß auf. Ergo  schreibe ich wörtlich ab, ich spiele va banque.  Entweder merkt’s der Pauker, das ist sehr übel, aber vielleicht ist er ein anständiger Kerl und hält den Mund. Oder er merkt nichts  - na, das ist ja dann ausgezeichnet, mehr  beabsichtige ich ja nicht und bin froh, wenn ich "genügend" habe. Mehr will ich ja nicht!  Ergo die Moral des Fähnrichs. So hatten die Leutchen auch in diesem Fall gehandelt und Heyner war es ein Leichtes, die Übeltäter zu überführen. Er war aber so anständig, infolge der erschütternden Komik des Falles, die Sache nicht zu melden, sondern kündete allen acht hereingefallen eine "fünf", das heißt "genügend" in Taktik an, obwohl die meisten, namentlich Hannemann, eine weit höhere Nummer hätten beanspruchen können.  

Ungeheurer Jubel auf der Gegenpartei. Acht Reiter waren bei der "Stiepelchäse" [Engl.: steeplechase = Hindernisreiten] schon gestürzt! Und dann! Kaum zu glauben! Sollte man vielleicht selber die wirklich richtige Lösung gefunden haben? Ich bestand mit einer 6, also ziemlich gut! Mir fiel ein Stein vom Herzen! Land unter den Füßen! 30 Punkte! Noch 100! Und das Vaterland ist gerettet. Sehr beruhigt stieg ich ins Feldbefestigungsfach, in die Befestigungslehre. Ich war Pionier und daher nicht ganz so Schimmer los in diesem Fach wie zum Beispiel ein Kavallerist. Es gab zwei Aufgaben: einen Ausbau einer Bataillons-Gruppe mit 1000 Finessen und Schikanen und zweitens eine, ganz ernst gesprochen, sehr schwierige Telegrafenaufgabe. Auf einem Kartenausschnitt war die Stellung eines Korps eingezeichnet, und man sollte mit den bei einem Korps befindlichen Nachrichtenmitteln alle Dienststellen miteinander verbinden. Das war also gar nicht einfach. Man musste ganz genau wissen, wie viel Telefongerät sich bei einem Bataillon, einem Regiment oder einer Kompanie befindet. Wie viel hat die Artillerie, die Divisions-Fernsprechabteilung und so weiter. Wie verbindest Du  die Truppen, wenn der Draht nicht reicht. Wohin kommen die Vermittlungen?  Wo kann man den Draht durch Meldereiter und Auto bei welchen Formationen sparen? Kurz, das war für den Nichtfachmann nicht gerade leicht. Das sagte ich mir natürlich auch und beschloss deswegen, die Feldbefestigungs-Aufgabe so schön und ausführlich wie möglich zu machen.  

Mittlerweile hatte sich nun mein Nachbar zur Rechten, ein Telegrafen-Fähnrich Hoffmann, auf seine Facharbeit gestürzt und arbeitete nun erst mal das "Netz im Unreinen" gründlichst aus. Er dokterte lange und eifrig dran herum, so dass ich in dem Augenblick mit dem Abzeichnen beginnen konnte, als Hoffmann die Reinschrift anfing. Und als er damit glücklich fertig war, konnte er gerade noch die erste Aufgabe anfangen, da war es Zeit zum "Abgeben". Aber ich hatte meine Arbeiten beisammen. Und wie! Eine 8 bekam ich - 8x4 = 32 Punkte. Außer mir nur noch eine 8 . Die Waage stieg!  

In der Waffenlehre konnte ich nicht abschreiben, weil der neben mir sitzende Fähnrich Ostmann vom Regiment  Lützow mich dauernd drängelte, ich sollte ihn abschreiben lassen. Von dem war anscheinend nichts zu holen. Trotzdem gelang es mit Hilfe meiner methodisch geordneten Spickzettel  eine 7 zu gewinnen, also "gut". Das Schlimmste war jetzt überwunden. Und mit erhabener Ruhe absolvierte ich die anderen schriftlichen Fächer. Denn die waren ein Kinderspiel. Als die Woche zu Ende ging, und die schriftliche Prüfung abgeschlossen war,  rechnete ich mir aus "dass ich mindestens über 140 Punkte“ haben würde,  also doch ein sehr anständiges Resultat, wo nur 130 verlangt wurden.  

Wesentlich beruhigt stieg ich also ins Mündliche. Das fing gleich sehr erfreulich an. Und zwar mit Befestigungslehre. Zur mündlichen Prüfung kam extra aus Berlin eine Kommission von Fachmännern, die dauernd im Reich herum sausten und die Prüfungen abhielten. Den Saal betrat also am ersten Tag der Oberst Töpfer, eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Ich saß in der ersten Reihe und da ich Pionieruniform trug, stürzte er sich natürlich gleich auf mich. Es entspann sich ungefähr folgender Dialog:

" Sie sind Pionier? Vom 4. Bataillon?

" Zu Befehl, Herr Oberst "

" Wer ist denn jetzt Ihr Kommandeur?“

" Major Rothardt, Herr Oberst

" So, natürlich! Ist denn der Hauptmann X noch in Bataillon?

" Jawohl, Herr Oberst!

" So, nun,  dann grüßen Sie ihn mal schön von mir, und nun erzählen Sie mir mal was über Astverhaue"! 

Ich war im ersten Moment ganz platt. Wollte der Mann nicht uzen? Oder sah ich so dumm aus? Mit dieser Frage hat es  - einem Pionier gegenüber  - dieselbe Bewandtnis, als ob ich einen 50-jährigen Uhrmachermeister frage: "Sagen Sie mal, können Sie mir vielleicht sagen, was ist eine Uhr, wie wird sie gemacht und wie sieht sie aus?" Der Uhrmacher wird dann sicher denken: "Der Mann will Dich wohl veralbern?"  

So ging es auch mir! Es war etwa so, als wollte ich einen Schlachter nach den einzelnen Teilen des Schweins fragen. Also,  ich hielte einen Bombenvortrag, eigentlich eine Lächerlichkeit, erhielt am Schluss ein gnädiges Kopfnicken und einen Gruß an das 4. Bataillon. Ich setzte mich, und wusste gar nicht, was los war. Aber die Götter hatten noch ganz andere Sachen mit mir vor!!

Es nahte Heerwesen. Ich hatte mich da auf den Standpunkt der absoluten Wurschtigkeit gestellt  - mir konnte ja jetzt keener mehr. Die Schlacht begann. Und die Helden fielen wie die Fliegen. Mir wurde es immer unbehaglicher  - Da! Endlich! „Fähnrich Tröbst!“  

 

Ich sprang an meinem Tisch auf wie ein geölter Blitz und stand bombenstill. .

 

"Also folgende Lage", ertönte die Stimme des Herrn Examinators: „Folgende Lage: Eine Kompanie ist auf dem Marsch. Plötzlich bemerkt der am Schluss reitende Hauptmann, dass der Einjährig-Freiwillige "Z"  anscheinend ohne Erlaubnis das Glied verlässt, um im Straßengraben ein Bedürfnis zu verrichten. Fähnrich Tröbst,  wenn Sie sich jetzt mal darüber aussprechen, wie der Kompaniechef diesen Mann bestraft!“  

Also Kinder! Ihr könnt mir glauben, ich fiel beinahe auf den Rücken! Also ich war so platt, dass ich zuerst gar nicht wusste, was ich sagen sollte! Gestern  lese ich die Geschichte auf gutes Glück im Leitfaden durch und heute komme ich "dran". Und dabei sagt Schiller immer, es gäbe keinen Zufall! Na, ich hatte mich aber rasch gefasst. Ich war in einer derartigen Triumphstimmung, dass ich dem Pauker einen Vortrag hielt, der sich im Reichsgericht hätte sehen lassen können. Die Paragraphennummern flogen nur so, ich hätte einen glänzenden Staatsanwalt abgeben können. Also ich war einfach unerbittlich gegen den Einjährig-Freiwilligen " Z" , nichts half ihm, er bekam drei Tage "mittel", genauso wie es Oberst Rabenau in seinem dicken Buch verlangte, schließlich ließ ich mich erweichen, und verzichtete auf die Streichung von der Liste der Reserve-Offiziersaspiranten  - da eine ehrlose Tat in diesem Fall nicht vorläge. Denn das hatte Oberst R. ja auch schon konstatiert. Förmlich betäubt setzte ich mich dann wieder hin  -  

Zwei Tage später teilt mir Hauptmann Forke auf dem Korridor mit: "Ich gratuliere, Fähnrich, sie sind der Einzige, der im Heerwesen "vorzüglich" hat.  

Kunststück! Hatte ich auch gar nicht anderes erwartet!!

Und dann kam nach einigen Tagen der feierliche Schlussappell Im Paradeanzug im Spiegelsaal. Es wurden die Schlusszensuren und die Reihenfolge im Patent verlesen. Auf dem Gymnasium fing ich bei solchen Gelegenheiten immer erst ganz Ohr zu werden, wenn in einer Klasse von 20 Schülern die ersten 15 verlesen waren. Denn da war ich doch nie darunter. Wer beschreibt hier mein fassungslosen Staunen, als auf einmal Nummer sieben oder acht lautet: " Fähnrich Tröbst . Sehr gut  173 Punkte." Mir blieb förmlich die Luft weg, und sie kam erst wieder, als der Oberscheich mit den anderen folgenden 113 Namen fertig war. 

Acht Punkte fehlten an der allerhöchsten Belobigung  - na, Schadt nichts! 7-ter  von 120 mit Sehr gut!  - Na, Kinder, wie ich mich an dem Abend besoffen habe, das könnt ihr Euch wohl alleine vorstellen. 

 

Reitunterricht

 

 

Eines der amüsantesten Fächer auf Kriegsschule ist Reiten. Ist ja auch ganz klar. Im Anfang macht es allerdings wenig Spaß, denn für den Neuling ist alles zunächst recht anstrengend, namentlich wenn die Lehrmethode preußisch ist. Und dann kommt es kolossal auf dem Pauker an. Wir hatten deren zwei, Oberleutnant Mohrmann vom Feld Artillerie Regiment 26 aus Verden und Leutnant Göhle, von den sächsischen Ulanen (Nr. 17?). Die 120 Fähnriche waren nun zum Reitunterricht in verschiedene Abteilungen gegliedert. Nr. 1 war die Kavallerie-Abteilung, der alle Berittenen angehörten, außerdem drei Infanterie-Abteilungen. Ich gehörte der zweiten an, die wir stolz die "Schwarze Abteilung" nannten, da ihr fast ausschließlich nur Pioniere, Eisenbahner und Telegrafen angehörten, alle mit schwarzem Kragen und Aufschlägen und silbernen Knöpfen.  

Doch zunächst ein paar Worte über die Hauptpersonen beim Reiten, nämlich die Gäule. Der Marsstall setzte sich aus 60 bis 70 Pferden zusammen, die alle äußerlich blendend aussahen, aber durch die Bank alle mit einem oder mehreren sehr schweren Charakterfehlern „begabt“ waren. Denn die Pferde wurden für die Dauer von mehreren Jahren von den Truppenteilen des 8. Armeecorps zur Kriegsschule kommandiert, und die einzelnen Rittmeister benutzten natürlich diese erwünschte Gelegenheit, sich ihrer tollsten Böcke, die in der Schwadron nicht zu reiten  waren, zu entledigen.  

Also eines schönen Tages zogen wir Reitzeug an, und marschierten nach der Reitbahn, am anderen Ende von Engers,  das Herz geschwellt von Stolz und Hoffnungen. Aber wir wurden am ersten Tag bitter enttäuscht. Zunächst mal, dass wir in dem Kursus des Oberleutnants Mohrmann waren, dem der Ruf eines sacksiedegroben Kerls vorausging. Und das will bei den Preußen schon was heißen. Als wir in der großen offenen Reitbahn ankam, standen da die 50 Pferde zur Linie aufmarschiert, je zwei von einem Dragoner, Husar, Ulan, Kürassier oder anderem Kavalleristen gehalten. Statt uns nun gleich auf die Gäule rauf zu lassen, wie wir es brennend wünschten, hielt Mohrmann uns erst einen dreiviertelstündigen Vortrag, der von technischen Fachausdrücken wimmelte, so dass man also gänzlich dumm gemacht wurde. Dann hieß es endlich: an die Pferde! Jeder sollte sich ein Leibross aussuchen, das er also im Lauf des Kurses auch bei den taktischen Ausritten im Gelände reiten sollte. Ich hatte schon seit der ganzen Zeit mit einem bildhübschen Husarengaul geliebäugelt, der glänzend zu mehr passen würde  - wie ich mir einbildete. Da war ich aber auf dem Holzwege, wie sich noch am selben Tag herausstellte.  

Das Teufelsvieh hieß Gisela. Eigentlich doch ein ganz netter Name. Hübsche Mädchen heißen oft in Romanen Gisela. Leider hatte ich diese Ansicht auch auf den Gaul übertragen, der natürlich wie alle anderen einen rasenden Charakterfehler hatte.  Denn seine guten Gäule gibt ja bekanntlich kein Rittmeister her, um sie durch ungeschickte Fähnriche zu Schanden reiten zu lassen. Genau wie die Fähnriche, so kommen auch nur die schwierigsten "Böcke" auf Kriegsschule. Gisela war klein, zierlich gebaut, Knochen wie Glas, mit einem Wort: Des typische,  hübsche,  elegante Husarenpferd von einer undefinierbaren Färbung. Mohrmann behauptete, das wäre gar keine Farbe, das sähe aus "wie Kleine-Kinder-Scheiße." Ungefähr stimmt diese Nuancierung.  

Endlich kletterten wir mit Ach und Krach auf die Gäule und Mohrman schrie: "So, meine Herren, nun setzen Sie sich mal alle recht fest in den Sattel, so wie Sie es für richtig halten!"

Na, das taten wir denn auch, und warteten gespannt die Dinge, die da kommen sollten. Und die kamen denn auch, aber wie üblich ganz plötzlich und überraschend. So überraschend,  das es eigentlich schwer zu beschreiben ist. Wie von einem elektrischen Schlag zuckten plötzlich alle Gäule zusammen, meine Gisela macht einen Mordssatz, ich verliere das Gleichgewicht und als ich mich betäubt und erschreckt aus dem Staub aufrichte, sehe ich die anderen Gäule wie besessen in der ganzen Bahn herumgaloppieren. Die Bahn sah aus wie nach einer Kavallerie- Attacke. Überall wälzten sich uniformierte Helden im Staube, ledige Pferde rasten herum, als ob sie einen unsichtbaren Teufel trugen. Dort kommt eines angaloppiert, dessen Reiter in Todesangst den Hals umklammert hat, wie ein Verzweifelter "fenstert" der Gaul nach hinten aus, kann aber seine Last nicht abschütteln. Ein tolles Durcheinander. Was war eigentlich los gewesen?  

Der heimtückische Mohrmann hatte sich mit dem Sergeanten Faust und einer Rotte Dragoner, jeder mit einer Peitschen bewaffnet, ganz heimlich hinter die Gäule heimlich geschlichen und den nichts ahnenden Gäulen ein paar Gehörige übergezogen. Diese erschraken darüber natürlich, ist ja menschlich auch ganz verständlich, und jedes Pferd machte also einen Satz. Darüber erschrak natürlich nun wieder der Reiter,  und um sich festzuhalten, haute er also dem Schinder mit aller Wucht,  aber ganz unwillkürlich die "Zinken" in die Saiten. Das Pferd denkt natürlich,  nun soll es voll galoppieren, Sofort versucht der Reiter zu bremsen, und reißt dem Gaul die Kandare durchs Maul. Resultat: "ab geht er".

Als nach der Reiterschlacht bei Vionville zum Sammeln geblasen wurde, kann es da nicht bunter hergegangen sein als an diesem Tag in der Reitbahn von Engers. "Zu Zweien und Dreien stellen die tapferen Rösser sich ein "... Der zweite Mann war geblieben  - so heißt es ja wohl in dem schönen Gedicht.

Was war nun eigentlich der Zweck der Übung gewesen? Mohrmann hatte die Schafe von den Böcken sondern wollen. Und das war ihm glänzend mittels seines Systems gelungen. Diejenigen nämlich, die bei dem Desaster nicht heruntergefallen waren, hatten "Anlage zum Reiten“. Das waren die Böcke, deren Ausbildung Mohrmann jetzt persönlich übernahm. Der Mist, der runter gefallenen war, und dazu gehörte auch ich  - Schande über mich, aber hier stehe es - das waren also die Schafe, mit denen sich "Schersant" Faust, der Hilfslehrer, herumärgern sollte. Der war ein Schlagetot von sieben Fuß Länge, aber ein tüchtiger Reiter und ausgezeichneter Unteroffizier von einem ostpreußischen Ulanen-Regiment. Eine Seele von Mensch, der sich nun die redlichste Mühe gab, aus uns Armen  Menschen zu machen - das heißt:  Kavalleristen.  

Wir hatten es nicht zu bereuen (etwa die Hälfte von uns war ihm zugeteilt) dass wir bei ihm ritten. Denn Mohrmann schliff seine Zöglinge,  da war einfach das Ende von weg. Die beiden Abteilungen ritten auf zwei Zirkeln, das heißt zwei Kreisen und oft beobachteten wir mit Freude Mohrman bei der Arbeit. Die zweite halbe Stunde ritten immer beide Abteilungen zusammen, und da lernten wir den Mann dann auch kennen. Wie ein Dompteur stand er in seinem eleganten,  tiefdunklen Überrock in der Mitte der Bahn, bewaffnet mit einer geradezu unwahrscheinlich langen Peitsche und ließ uns um sich herumreiten.  Dabei exaltierte er sich dann immer in einer schrecklichen Art und  Weise. Das hätte einem ja nun schließlich gänzlich piepe sein können und war es auch. Aber der Hund prügelte mit seiner langen Peitschen alle die Pferde, die etwas falsch machten. Oder vielmehr, er wollte die Gäule treffen und traf mit konstanter Bosheit die armen Reiter. Man war dagegen einfach wehrlos und wenn man ein beleidigtes Gesicht machte  - hatte man eo ipso ausgespielt. Man musste immer so tun, als ob "nichts wäre ". Ich empfehle Folgendes einem minderbegabten Leser. Er ziehe sich also eine möglichst enge Schlauchhose an, bücke sich und lasse sich von seinem größten Feind mit einem dicken, geknoteten Lederriemen "eine" überziehen. Dann wird er wissen, was los ist!  

Mohrmann war auch sonst ein tüchtiger Mann. Zu mir sagte er mal am zweiten Tag, als wir uns also nur erst "flüchtig kannten": "Der Fähnrich da, von den 4. Pionieren, Sie sitzen auf Ihrem Schinder wie eine voll geschissene Unterhose auf der Wäscheleine!"  

Tja, meine Lieben, sensibler, feinfühliger Ästhet durfte man bei den Preußen nicht sein. Man übertrage das mal auf zivile Verhältnisse. Ich sage zu einem Herren auf einem Ball, den ich nur vom Sehen kenne: "Hören Sie mal, sie tanzen aber wie eine voll geschissene Unterhose auf ihrer Dame rum"  - dann würde sich der betreffende sicher der gekränkt fühlen. Aber das Gefühl gibt es bei den Preußen nicht. Wäre ja noch schöner. "Kerls", sagte mal ein Korporal zu seinen Leuten, "wir dürfen nicht zu zimperlich sein. Wenn ich zu einem sage: ‚Du dummes Schwein',  dann heißt das so viel wie beim Zivil: Mein Herr!" Recht hatte der Brave.  

Und auch sonst war der Reitunterricht alles andere als ein Vergnüge

n. Das heißt natürlich nur: "Aller Anfang ist schwer, alles will gelernt sein!" Es steckt in der Kommiss-Erziehung, wie ich es an anderer Stelle schon mal erwähnt habe, doch ein gutes Stück Spartanertum drin.  Wer als Junker, der an gar keine Anstrengung gewöhnt ist, die Kommiss-Erziehung wirklich in ihrer ganzen Strenge und Schwere kennen und vor allen Dingen hat aushalten gelernt, der kann einen großen Gewinn fürs Leben buchen. Mag das Ausland schreien und toben. Die hohe Stufe, auf der unser Volk steht, was Gewissenhaftigkeit, Ausdauer, Zähigkeit, Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit, entschlussfrohes Handeln, Gehorsam, Unterordnung, zielvolles Handeln und Organisationstalent anbetrifft, das hat die Jahrhunderte lange Kommiss- Erziehung bewirkt, gar kein Zweifel. Man kann politisch zur Armee stehen wie man will - sie ist und bleibt ein Volkserziehungs- und volkskräftiges Mittel.  

Wenn ich so daran denke, wie oft man beim Reiten nicht nur die Zähne hat zusammen beißen müssen,  sondern auch nicht mal eine Mine hat verziehen dürfen. Nach dem zweiten Tage hat man sich bereits "durchgeritten", nach dem vierten ist das Gesäß  - um mich etwas poetisch auszudrücken (denn beim Kommiss heißt dieser den Soldaten so nützliche Körperteil anders) -   also nach dem vierten Tag ist der Arsch, pardon, also das Gesäß wie ein Stück Schabefleisch. Die Unterhose klemmt sich in dem geronnenen Blut fest, aber Tag ein,  Tag aus geht es wieder in den Sattel. Solange eben, bis sich das Sitzfleisch "daran gewöhnt" hat, bis es hart geworden ist, wie der selige Landgraf. 

Und wie wurde man ran genommen! Geritten wurde in den ersten Monaten grundsätzlich ohne Steigbügel - um den Sitz zu lernen. Ohne Steigbügel traben, mit dickem Hintern, anschließend ans Mittagessen, wo man sich den Bauch bis an den Kehlkopf mit Kuchen vollgestopft hatte. Das kam dann immer bildhübsch "hoch". Junge! Junge! Da musste man manchmal im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne zusammen beißen. Und nun noch dazu dieser Satan, dies Mastvieh, die Gisela.  Mastvieh, Gisela! Stellen Sie sich mal ein Mädchen vor, dass man so nennt! Das muss schon so ein Luder sein, wie die "Isolde", von der Herr Zille so ein schönes Bild gezeichnet hat. Mondnacht. 3:00 Uhr morgens. Eine Gasse. Isolde steht im eleganten Ballkleid vor der Tür der elterlichen Wohnung und kann nicht rein. Oder will nicht, denn die Mutter steht drohend am Fenster, in Sorge und im Nachtgewand. "Isolde! Du dreckiges Aas, komm mich man nicht ruff, denn dann schlage ich Dir aber die Pantinen um die Ohren, dass de denkst, du bist Mutter von Drillingen!"  

Das hätte ich mit meiner Gisela auch manchmal am liebsten gemacht. Ein toller Bock! Zunächst hatte er einen ganz kurzen Trab. Wie ein kleines Mädchen, die Seele konnte das Luder einem aus dem Leibe schüttelten. Aber seine Spezialität war das Springen. Er raste nämlich wie ein Blödsinniger auf das Hindernis zu, blieb schlagartig davor stehen, und sprang im selben Moment so ziemlich mit allen Vieren zugleich über die Mauer. Die Wirkung war natürlich auf den ahnungslosen Reiter folgende: Er raste auf das Hindernis zu, der Gaul stoppt, und getreu nach dem Beharrungsvermögen oder dem Gesetz der Tätigkeit saust er weiter, aber allein. Und gerade,  wenn er über dem Pferdekopf ist, springt der Schinder und schleudert einen im gotischen Bogen ab. Nun muss man sich mal vorstellen, wie wir springen mussten! Es gab da eine große, etwa 150 m lange, ovale Bahn, auf beiden Seiten eingezogen, und darin etwa 12 Sprunghindernisse: Hürden, Mauern, Gräben, Rampen, Gatter usw.

Am Schluss jeder Stunde musste die ganze Abteilung immer durch den ganzen Sprunggarten, der natürlich von den Gäulen im schärfsten Karacho genommen wurde. Steigbügel hatten wir nicht, die Zügel mussten zusammengeknotet auf den Hals des Pferdes gelegt werden, die Mütze musste mit beiden Händen hoch über dem Kopf gehalten werden. Dann ergriff ein Dragoner den Gaul, der sich natürlich mit Händen und Füßen wehrte, weil er  die Bahn mit ihren Strecken vom vorigen Kursus her gut kannte, und deswegen freiwillig auf keinen Fall den Marterweg beschreiten wollte. Was war das immer für ein Theater, allerdings nur für die Zuschauer,  wenn so ein Gaul nicht rein wollte. Man saß auf seinem Schinder, die Mütze hoch gehalten, mit beiden Händen wie ein Papst, der die Hostie zeigt. An den Zügeln zerren zwei Mann, Mohrmann haut mit der Peitsche von hinten nachhelfend. Doch  hinten keilt der Gaul, vorne steigt er wie eine Aktie, und kleben tut er wie eine Briefmarke. Hat man Glück, dann reißt er sich los und tobt sich mit dem Fähnrich in den Zirkeln hinaus. Hat man Pech, dann würgen ihn die Ordonanzen glücklich in den Sprunggarten hinein.

Kaum sieht der Gaul, dass es kein Entrinnen mehr für ihn gibt, dann aber hei-di! Los! Blindlings im Karacho. Ohne Sinn und Verstand, wie ein Pfeil über die Hindernisse, um Haaresbreite um die Kurven herum, dass man jeden Augenblick denkt: nun sind die Kniescheiben flöten!  Man weiß tatsächlich kaum, wie man wieder herausgekommen ist. An meinen ersten Sturz in voller Karriere beim Sprung über die große Hürde erinnere ich mich noch deutlich. In ich war mörderisch erschrocken. Gar kein Wunder. Man brauchte bloß in die Zeitung zu gucken: ich gehe jede Wette ein: Nie kann man in der Zeitung lesen: "Der und der ist vom Pferd  gefallen und hat sich nichts getan". Das liest man nie. Dagegen immer, dass der Unglückliche entweder sofort mausetot war, bestimmt hat er aber einen doppelten Schädelbruch oder "schwere innere Verletzungen" und wenn "an seinem Aufkommen nicht gezweifelt wurde", so starb der Unglückliche doch sicher "auf dem Transport".  

Ich weiß noch wie heute, als ich auf einmal keinen Halt mehr hatte, wie mir das alles durch den Kopf schoss. Ich dachte mit Blitzesschnelle, schneller als der Gaul lief  -: so, nun ist es aus. Schluss! Punkt! Erledigt! Und wirklich ist mir dabei auch - was der Volksmund so treffend bezeichnet - schwarz vor Augen geworden. Wenn so  der Tod ist, dann ist er sehr schön. Man hat so das Gefühl, als ob auf einmal lautlos ein schwarzer Vorhang zusammenrauscht. Man merkt: Ja man hat keinen Körper mehr, und trotzdem existiert man, aber man kann nicht sagen "wie". Kinder, lacht nicht so dämlich.  

Erst als ich wieder zu mir kam ich, nachdem ich maßlos verblüfft auf meinem Allerwertesten auf dem Boden im Staub gelandet war, hörte ich Herrn Mohrmanns Stimme: " Fähnrich Tröbst, wollen Sie sich wohl endlich aus der Bahn scheren und Ihren Gaul fangen?" - Da wusste ich, dass ich noch nicht gestorben war. Ich bin später beim Springen noch manches Mal runter gefallen, aber nur wenn es die Gisela war. Dieses Satansvieh! Mit anderen Pferden zu springen war wirklich ein Genuss. So etwa auf dem "Achilles" , einem großen Goldfuchs, der die Untugend hatte,  dass beim Galopp kein Mensch ihn halten konnte. Der Gaul raste dann einfach los und ritt über den Haufen, was sich ihm in den Weg stellte. Wenn man auf dem Gaul durch den Sprunggarten ging - das war wirklich ein Genuss. Man merkte gar nicht, dass man über einen Graben, eine Hürde oder eine Mauer wegsetzte. Mit einer wunderbaren Eleganz ging das. Wie ein Hirsch sprang das Pferd. Aber die Gisela:  Sie gehörte nicht zu den Pferden, die nicht springen wollen, im Gegenteil, sie brach nie aus, aber eben wie sie sprang, das war das Unerträgliche.  

Schließlich habe ich das "oben bleiben" aber doch gelernt. Allerdings, am Anfang schlitzte man dem Gaul immer die Flanken blutig, so hoch warf einen der Gaul, und so musste man sich fest Klemmen. Woher die Gisela sich das angewöhnt hat, die Hindernisse aus dem Stand, also von der Stelle, im Stehen, mit allen vier Beinen gleichzeitig zu springen, das weiß der Himmel. Aber schließlich konnte ich sie doch reiten. Bei der großen Schluss-Reitbesichtigung durch Exzellenz von Thiessenhausen hatte ich mit dem Biest natürlich wieder ein Mords-Pech. Dreiviertel aller Hindernisse hatte ich mit hochgehaltener Mütze, ohne Steigbügel und ohne Zügel im Karacho glatt genommen, als auf einmal der Bock am Wassergraben falsch abspringt und stürzt. Ich gerate unter den Gaul, kann mich nicht rühren, mein Kopf ist an einen Pfahl der Bande geklemmt, Blut läuft über das linke Auge und mit dem rechten sehe ich immer den einen Huf des Gauls, der mit rasender Schnelligkeit handbreit an meiner Visage vorbei saust. Denn der Schinder lag halb im Graben und strampelte wie ein Blödsinniger, um sich aufzurichten. Kinder, in den Momenten ging mir aber  etwas „mit Grundeis". Eine Handbreit weiter und mein Kopf wäre ein Pfannkuchen.  

Endlich kam der Gaul hoch und galoppierte mit verhängtem Sattel und Geschirr weiter. Ein Gott gab mir noch die Geistesgegenwart, trotz meiner schmerzenden Glieder sofort aufzuspringen und hinter dem Schinder her zu rennen, den ein Dragoner eingefangen hatte. Ich war rammdösig und mein Schädel brummte mir derart, dass ich gar nicht mehr wusste, wie ich in den Sattel kam -  aber ich ritt wieder weiter. Denn nur absolut tödliche Verletzungen entbanden von dieser Verpflichtung. Ich hab's doch erlebt, dass der Fähnrich Winner (16. Pionier aus Metz) links vorwärts stürzte beim Springen, und der Gaul zerbrach ihm mit einem einzigen Tritt die Knochen der rechten Hand. Aber Wimmer ritt weiter, und wurde noch wegen seines Ungeschicks angepfiffen.  Dazu möchte ich mir eine bescheidene Bemerkung erlauben. Auf der Schule wurde uns immer eingetrichtert, dass wahre Tapferkeit und wahrer Schneid nur bei den Spartanern möglich gewesen sei,  und in unserem Zeitalter nicht wiederkehre. Dabei hatten wir kurz vorher den Krieg in Südwest [Afrika] gehabt. Und der Fall Wimmer zeigt mir, dass die Pauker, diese verstaubten, vertrockneten Grasaffen mit ihrer Weisheit Unrecht hatten. Leichte Verletzungen beim Reiten waren von uns allen brennend  gewünscht. Denn dann kam man erstmals ins Kriegsschul-Lazarett  - ein feiner Druckposten. Zweitens gab es Geld. Und das konnten wir egal gebrauchen. Jeder Fähnrich war zwangsweise in der militärischen Unfallversicherung und bekam dann für jeden Lazarett-Tag M 5,- von der Stuttgarter Gesellschaft. "Fennrich Jötze" erklärte eines Tages beim Zusammenrechnen seiner Schulden: "So: Wenn ich mir nun morgen einen komplizierten Oberschenkelbruch beim Reiten hole,  dann bin ich meine Schulden bei Schunkert los!"

Je mehr Fortschritte man im Reiten machte, desto größer wurde natürlich die Lust an diesem Dienstzweig, da ihn Mohrmann dann häufig im Gelände als Spazierritt mit einem Jagdreiten frisierte. Von solchen Ritten kam man immer in einer glänzenden Stimmung nachhause. Wobei ich einen humoristischen Zwischenfall nicht vergessen möchte. Die Pferde "wohnten" alle im so genannten Marstall des Schlosses. Und schon vom zweiten Tag an ritten wir von hier nach den Reitplätzen. Der Weg zur "großen Bahn" führte unter der Eisenbahnunterführung durch. Gerade,  als eines schönen Tages die Tète drunter war, donnerte der Kölner Schnellzug darüber weg. Die ersten Gäule machten kehrt und rasten in die Kriegsschule zurück,  und wir anderen alle hinterher. Das hätte unter Umständen ein rasendes Unglück geben können!

Nun hatte der Kölner Schnellzug immer die dumme Angewohnheit, dass er immer auf dieselbe Minute, nämlich so gegen 2:03 Uhr nachmittags über die Unterführung gesaust kam.  Punkt  2:00 Uhr rückten wir immer von dem Schloss ab und es handelte sich regelmäßig um Sekunden. Zum Totlachen. Das beste Pferd im Kursus war entschieden der Achilles, den ein Graf Pfeil Klein-Ellguth von einem schlesischen Regiment ritt. Beim Galopp war der Schinder überhaupt nicht zu halten, ich habe einmal auf ihm den Sprunggarten genommen. Das Gegenstück war die "dicke Louise“,  ein Pferd von einer geradezu skandalösen Faulheit.  Das sprang nicht über die Hindernisse sondern kletterte darüber, langsam wie eine alte Kuh. Im Kursus nach mir hat sie sich dann auch richtig bei so einer Gelegenheit das Genick gebrochen.

Die passioniertesten Reiter in der Theorie und die allersachverständigsten Pferdekenner waren natürlich die Leute, die nichts von der Sache verstanden nämlich wir Fußlatscher. Und nach jeder Reitstunde fanden im Kasino die erregtesten Debatten statt, die von den Herren Kavalleristen natürlich mitleidig belächelt wurden. Denn diese wurden natürlich noch ganz anders heran genommen. Die Kavallerie-Abteilung ging auf blankem Pferd und ohne Zügel und Steigbügel mit über dem Kopf quer gehaltener Lanze über die Hindernisse. Außerdem war das Lanzen-Exerzieren  ein ganz besonderer Schliff. Ein Mann, der richtig Lanzenschwingen gelernt hat, kann sich ohne weiteres im Reiterkampf fünf mit Säbeln bewaffnete Leute vom Halse halten.  

Ungeheuer veralbert wurden immer die Fähnriche der Fuß-Artillerie, die als Fußtruppen natürlich keine Sporen tragen durften. Und Sporen auch außer Dienst auf dem Bummel  tragen, das war doch das Schönste auf der Welt. Nun hatte damals jedes Fuß-Regiment eine so genannte Bespannungs-Abteilung,  und die dazugehörigen Mannschaften trugen natürlich Sporen. (Später entstand aus diesen Bespannungs-Abteilungen die "Schwere Artillerie des Feldheeres") Natürlich brachte sich nun jeder Fuß-Artilleristen-Fähnrich  - versteckt in der tiefsten Ecke seines Koffers - einen langen Säbel aus seiner Garnison mit, der bei einem Kneipenwirt in Engers deponiert wurde. Kam dann der liebe Sonntag, dann verließen die Herren Fuß-Artilleristen, angetan mit Stiefeln ohne Sporen und mit ihrem kurzen, breiten Schwert umgürtet die Kaserne, eilten zu jenem diskreten Wirt und ein paar Stunden später konnte man sie in Koblenz sporenklirrend und säbelrasselnd auf dem Bummel treffen. Und wenn man sie dann anödete - das besorgten immer die Feld-Artilleristen glänzend  - verteidigten sie sich damit, dass sie mal vier Wochen als Junker bei der Bespannungsabteilung gewesen seien.


Damals war folgender netter Vers im Schwange:

 

 Zween Knaben  gingen  durch das Korn,

 die hatten beide die gleiche Uniform

 Doch trug der eine Kastensporn

Da fragte der andere: Was bist'e ?

"Fussartilleriste!"

 

Zur Erläuterung sei gesagt: Zween Knaben in der gleichen Uniform = Ein Feld-und ein Fuß-Artillerist. Kastensporen: der größte militärische Toilettenfehler, etwa wie beim Zivilisten: Röllchen,  Brettchen, Schnällchen und Gummikragen. Unter Kastensporen versteht man ein Loch im Stiefelhacken, wo die Sporen  nach Bedarf hineingesteckt werden, während die zunftmäßigen Reiter immer fest angenagelte Sporen trugen. So  - nun weiß wohl jeder, wie es auf Kriegsschule beim Reiten zuging. Mit einem Wort, es war im Anfang ein anstrengender, aber später ein sehr amüsanter Sport, der dann ganz besondere Freude machte, weil man sonntags ohne Aufsicht auch im schönen Westerwald spazieren reiten durfte.

 Hier nur zum Schluss noch die schönste Kasernenhofblüte, die Mohrmann zum geistigen Vater hat. Aber vielleicht hatte er sie auch nur aus den "lustigen Blättern" übernommen, das weiß ich nicht. Ich habe sie jedenfalls von ihm zum ersten und letzten Mal gehört:  

" Fähnrich, Sie rutschen ja auf Ihren Gaul rum wie die Butter auf der warmen Kartoffel!"

Ein geradezu klassischer Vergleich, dessen sich nicht einmal der alte Herr Homer hätte zu schämen brauchen.

Das traf den Nagel auf den Kopf.

Die Kadetten von 1910/11